Studie: Häufiger Pornokonsum bei vielen Nutzern unproblematisch
In den letzten Jahren hat es – unter anderem aufgrund der hervorragenden Arbeit von Gary Wilson von yourbrainonporn.com – eine starke Öffentlichkeitswahrnehmung für Pornosucht, Masturbationssucht und generell problematischen Pornokonsum gegeben. Es gab sowohl anekdotisches Material von Leuten, die der NoFap Bewegung und Garys Rat folgten, als auch Studien, wenngleich die meiste Forschung nicht direkt auf Pornographie anzuwenden war, sondern den Umweg über Dopamin-Aktivität oder andere Gehirnreaktionen auf Belohnung nahmen.
Jetzt hat sich eine neue Studie mit dem Thema beschäftigt und fand heraus, dass – obwohl es einige Leute gibt, die durch hohen Pornokonsum sexuelle Probleme bekommen (oder in denen zumindest beides gleichzeitig auftritt) – es weitaus mehr Leute gibt, die häufig bis sehr häufig Pornos konsumieren und keine sexuellen Probleme haben.
Tatsächlich war die Zahl der Personen, die problemlos häufig Pornografie konsumieren, 3-6 Mal höher als die Zahl der Personen, die häufig Pornografie konsumieren und gleichzeitig sexuelle Störungen hat. Diese Studie erschien in The Journal of Sexual Medicine.
Der Gebrauch von Pornographie ist in der erwachsenen Bevölkerung weit verbreitet; ungefähr 70 bis 90% der Menschen haben in ihrem Leben Pornos gesehen. Für die meisten Menschen ist der Gebrauch von Pornografie unproblematisch und hat keine negativen Folgen in ihrem Leben. Für andere kann er jedoch problematisch werden und nachteilige Folgen haben, wie zum Beispiel sexuelle Probleme.
Wie man an Drogenkonsum bedingten Abhängigkeiten oder problematischen Verhaltensweisen erkennen kann, kann die Menge oder die Häufigkeit des jeweiligen Verhaltens als zuverlässiger Indikator für problematischen Konsum angesehen werden. Im Falle des problematischen Pornokonsums wurden jedoch in früheren Studien nur geringe bis mäßige Assoziationen zwischen der Häufigkeit des Pornokonsums und dem problematischen Konsum festgestellt. Das bedeutet, dass es Personen geben könnte, die Pornografie häufig nutzen und keinerlei Probleme damit haben, während es andere geben könnte, die Pornografie genauso häufig nutzen wie unproblematische Nutzer, aber gleichzeitig schwerwiegende negative Folgen haben.
Dieser Gedanke wurde in der Literatur jedoch nie empirisch untersucht, daher wurde versucht, potenzielle Gruppen von Pornografie-Nutzern anhand ihrer Häufigkeit und ihres mit Problemen verbundenen Pornografiegebrauchs zu identifizieren. Anschließend wurden die identifizierten Gruppen verglichen, um zu untersuchen, welche soziodemografischen und psychologischen Merkmale zwischen problematischen und nicht problematischen Nutzern unterscheiden können.
Zu diesem Zweck haben insgesamt mehr als 15.000 Personen (im Alter zwischen 18 und 76 Jahren) an anonymen Online-Umfragen in drei unabhängigen Stichproben teilgenommen. Mit Hilfe einer datengesteuerten Methode (latente Profilanalyse) wurden drei verschiedene Profile von Pornografie-Nutzern ermittelt, die in allen drei Stichproben konsistent waren: (1) Unproblematische Nutzer mit niedriger Pornographie-Frequenz (68-73% der Personen); (2) Unproblematische Nutzer mit hoher Pornographie-Frequenz (19-29% der Personen); und (3) Problematische Nutzer mit hoher Frequenz (3-8% der Personen).
Diese Gruppen wurden anhand von mehr als 40 soziodemografischen und psychologischen Merkmalen verglichen. Dabei wurde festgestellt, dass die Gruppe der problematischen, hochfrequenten Nutzer ein höheres Maß an Hypersexualität, depressiven Symptomen, Anfälligkeit für Langeweile, unangenehmen Gefühlen gegenüber Pornografie und ein geringeres Maß an Selbstwertgefühl und Befriedigung grundlegender psychologischer Bedürfnisse (d.h. Verwandtschaft, Kompetenz und Autonomie) aufweist als die Gruppe der unproblematischen, hochfrequenten Pornografie-Nutzer. Diese beiden Gruppen unterschieden sich jedoch nicht wesentlich in anderen Merkmalen, wie z.B. ihrem Alter bei der ersten Erfahrung mit Pornografie oder ihren Persönlichkeitsmerkmalen (z.B. Offenheit oder Impulsivität).
Die wichtigste Erkenntnis der Studie ist, dass die Häufigkeit des Pornografiekonsums nicht als zuverlässiger oder ausreichender Indikator für einen problematischen Pornografiekonsum angesehen werden kann, da ein relativ hochfrequenter Pornografiekonsum ohne die damit verbundenen Probleme im eigenen Leben vorhanden sein kann. Auch eine andere Kombination spezifischer Merkmale kann zu problematischem oder unproblematischem, hochfrequentem Pornografiekonsum führen. Daher ist eine komplexe Bewertung des Pornografiegebrauchs sowohl in der Forschung als auch in der klinischen Arbeit erforderlich, einschließlich der Häufigkeit des Pornografiegebrauchs und auch des problematischen Pornografiegebrauchs.